Als ich vor 30 Jahren das Marketing-Controlling bei Coop aufbaute, war Marketing-Mix Modelling noch kein Thema. Anbieter wie Nielsen haben in diesem Bereich aber grosse Fortschritte gemacht und gleichzeitig stossen die Modelle immer mehr an ihre Grenzen. Deswegen hat es mich besonders gefreut, an einer Google-Tagung zu erfahren, dass Google bestehende Lücken ergänzt und sogar noch bessere Optionen wie Geo-Experimente ermöglicht.
Marketing-Mix-Modelling ist vor allem im Konsumgüterbereich, aber auch in der Pharmabranche und der Automobilindustrie verbreitet – von seinen Erkenntnissen können aber alle Branchen profitieren. Es zeigt, welche Werbung wirkt und wo welche Budgets erforderlich sind, um über alle Produkte, Märkte und Marketingprogramme hinweg die beste Wirkung zu erzielen. Bei der Modellierung des Marketing-Mix werden mit statistischen Modellen die langfristigen Beziehungen zwischen Marketingausgaben und der geschäftlichen Entwicklung im Zeitverlauf betrachtet.
ROI Marketing
Werbetreibende haben ein fundamentales Bedürfnis, die Effektivität der einzelnen Werbemassnahmen zu messen und die Mittel richtig zuzuteilen (siehe auch Was tun, wenn der CEO nach Marketing-ROI fragt?). In der Vergangenheit war dies grossen Konzernen vorbehalten, welche mit Marketing-Mix Modelling statistische Modelle erhielten, um die Budget richtig einzuteilen. Vor der Transparenz, welche das Internet auch in die Marketingausgaben brachte, waren die meisten anderen Firmen daran gewöhnt, dass viel Geld unnötig ausgegeben wird und der von Henry Ford am stärksten verbreitete Spruch “die Hälfte meiner Werbeausgaben ist hinausgeworfenes Geld, ich weiss nur nicht welche Hälfte” hat dazu geführt, dass Marketingausgaben in guten Zeiten erhöht und in schlechten gekürzt wurden. Schliesslich war kein direkter ROI nachweisbar.
Erkenntnisse aus dem Marketing-Mix Modelling
Marketing-Mix Modelling kam immer mehr in die Kritik, weil es sich auf die kurzfristigen Effekte der Werbung beschränkte. Erfahrungsgemäss liegt aber der langfristige Effekt von Werbung 1 – 6 Mal höher als der kurzfristige Effekt. Eine Studie durch MMA hat z.B. gezeigt, dass über hunderte von analysierten Marken auf einen Werbedollar nur 54 Cents Umsatz ausgelöst wurden. Wenn man aber die langfristigen Effekte der Werbung einbezog, wurde der ROI plötzlich positiv:
Werbemittel ist wichtiger als Werbeausgaben
Marketing-Mix Modelling vernachlässigt auch sträflich den Einfluss des Anzeigeninhaltes, welcher aber wesentlich zum Erfolg der Werbeausgaben beiträgt. Umso erstaunlicher ist es, dass nicht mehr Firmen die fast kostenlose Messung der Werbewirkung von Werbemitteln online austesten, bevor sie teure Offline-Kampagnen starten (siehe auch Online-Marketing vs. Offline-Marketing? Synergien nutzen). Hier ein Beispiel über den Zusammenhang zwischen Werbemittelinhalt und den Werbeausgaben:
Marketing-Mix Modelling reagiert zu langsam
Die kurzfristigen Auswirkungen von Kampagnen, welche vor allem auch online besonders gut nachgewiesen werden können, gehen im Marketing-Mix Modelling fast völlig unter. Generell wird der Einfluss der Online-Kommunikation bei diesen Modellen fast völlig ignoriert und das Verhalten der Besucher und die Interaktionen auf der Website vernachlässigt (siehe auch ROPO-Studie: Internet beeinflusst 56 % der Ausgaben im Detailhandel). Um diese Lücke zu füllen, bietet Google Unterstützung an, um die eigenen Modelle zu ergänzen und die notwendigen Daten zu erhalten. Dadurch können auch viele Lücken gefüllt werden, welche mit klassischen Segmentierungen vernachlässigt werden (siehe auch Zielgruppen-Marketing: Absicht ist wichtiger als Demographie).
Die Synergien im Customer Journey müssen beachtet werden
Marketing-Mix Modelling tendiert dazu, die Synergien zwischen verschiedenen Kanälen nicht zu quantifizieren. Das führt dazu, dass bei mehreren gleichzeitig laufenden Kampagnen (was heute fast der Regelfall ist) die Summe der ausgewiesenen Umsätze grösser ist, als dies eigentlich der Fall ist. Hier sind Customer Journey Betrachtungen, wie sie online besonders gut möglich sind, äusserst wertvoll (siehe auch Marketing-Controlling: Nutzen-Zuordnung gewinnt an Momentum).
Geo-Experimente: Der Goldstandard der Werbewirkungsforschung
Noch genauer als Marketing-Mix Modelling sind Geo-Experimente. Diese gibt es seit langem, das Internet hat aber ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Bereits vor 11 Jahren hat sich z.B. Kellogs mit Special K daran gemacht, auch die Wirkung der Online-Werbung besser zu beurteilen. Mit einem Geo-Experiment wurden zwei vergleichbare Regionen gewählt und während in einer Bannerwerbung gezeigt wurde, unterliess man dies bei der anderen. Beim Versuch wurde gezeigt, dass in einer Periode mit saisonal rückläufigen Käufen in Supermärkten, die Bannerwerbung einen positiven Einfluss auf die Abverkäufe in Supermärkten hat:
Bei solchen Experimenten werden Regionen, die weit genug auseinander sind und sich von ihrer Grösse und Struktur her ähneln, miteinander verglichen. Während in einer Region Werbung geschaltet wird, fehlt diese in der Kontrollregion, wodurch noch bessere Wirkungsnachweise möglich sind, als mit statistischen Berechnungen wie zum Beispiel beim Marketing-Mix Modelling. Natürlich ist man bei solchen Experimenten darauf angewiesen, sämtliche Aktivitäten der Mitbewerber ebenfalls zu berücksichtigen, aber dafür gibt es Anbieter, welche sich darauf spezialisiert haben. Es ist zwar ein Kampagnenbudget von mindestens CHF 20’000 notwendig, aber die Erkenntnisse daraus sind unbezahlbar.
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